Die Tränen der Mutter...

Ich wurde schon früh mit dem Tod konfrontiert, als ich 13 Jahre alt war, starb mein grosser Bruder. Er war für mich der lebenslustigste, lebendigste Mensch den es gab. Bis dahin starben für mich nur "alte" Menschen...

 

Als er von einem Tag auf den anderen nicht mehr Heim kam, brach meine Welt zusammen. Es  hat mich  viele Jahre nach dem Sinn des Lebens suchen lassen. Aber auch die Auseinandersetzung mit dem Tod beschäftigte mich immer wieder.

 

 

 

 

Bis ich 22 Jahre alt war, hatte ich bereits vier gute Freunde verloren, durch Unfälle, Krankheit oder leider auch einen Suizid.

 

Nun sind auch in den letzten zwei Jahren meine Eltern gestorben. Gerade ich, wo meinte, mit dem Tod nun wirklich  umgehen zu können und gut "therapiert" zu sein, wurde überrascht, was es bedeutet, die Eltern zu verlieren. Natürlich hört man immer wieder die Worte... es ist ihnen ja gut gegangen. Natürlich, sie waren alt und krank. Ich durfte meine Eltern auch sehr lange "haben", wenn ich an meinen Sohn denke, der mit 17 Jahren bereits seinen Vater verloren hat.  Gerade die letzten Jahre ihrer Krankheit waren sehr intensiv, ich verbrachte sehr viel Zeit mit ihnen und konnte auch Abschied nehmen. Und doch fehlen sie immer wieder sehr schmerzlich... Ehrlich gesagt, ich habe das wirklich unterschätzt.

 

Beerdigungen sind deshalb nicht meins. Sie wühlen mich auf, sie holen alte Wunden und Narben hervor. Lassen mich weinen, mich an den eigenen Schmerz erinnern und auch  den Schmerz der Angehörigen fühle ich.

 

Nun waren wir am Montag in der Innerschweiz an der Beerdigung der Mutter meines Schwagers. Eine liebenswerte Frau, ein Mami durch und durch, für alle. Irgendwie ähnlich wie meine Mutter. Sie verstanden sich auch bestens, die beiden.

 

Es war eisig kalt, als wir auf dem Friedhof standen. Die Familie hatte sich ein "Baumgrab" ausgesucht. Da dort soviel Platz frei ist, weil es nicht mehr viele Erdbestattungen gibt, wurde eine neue Idee umgesetzt. Es wurden Bäume gepflanzt. Jeder Baum wurde einem Planeten zugeordnet. So konnte die Familie sich einen Baum aussuchen, wo die Asche der Mutter dann begraben wurde. Sie suchten sich den Planeten Neptun aus, da die Eigenschaften, die diesem Planeten zugeordnet werden, am Besten zu der Mutter passten. 

 

Es war sehr berührend und sehr friedvoll, als die Urne in die Erne gestreut wurde. Ein warmes Gefühl des Friedens machte sich in meinem Herzen breit. Diese liebe Mutter wird jetzt in diesem Baum weiterleben. Was für ein schöner Gedanke. Auf einer  silbrigen Tafel, wo der Planet Neptun angeschrieben war, sahen wir, wer bereits alles "in diesem Baum weiterlebt". Ein tiefer Frieden durchströmte mein Herz und übertönte die Traurigkeit.

 

Die Trauernden segneten dann das Gräblein mit Weihwasser. Es war so eisig kalt, dass die Tropfen des Weihwassers, die auf das Bild der Verstorbenen fielen, gleich einfror.en So sah es aus, als hätte es viele kleine Tränen auf dem Gesicht der eigentlich fröhlich lachenden Verstorbenen. Auch dieses Bild, berührte mich sehr. Einfach "anders" als sonst... war diese Beerdigung.

 

Nachher beim Mittagessen stand ihr Bild vorne, einwenig erhöht und man hatte das Gefühl, die Mutter lacht uns alle an. Sie hatte gerne Menschen um sich...  Später kam ein Bruder meines Schwagers und erzählte... er wollte vom Bild die Tropfen abputzen, aber sie waren fest gefroren. Als er dann das Bild im Lokal aufstellte, schmolzen die Tropfen und es sah aus, als das Müetti unter Tränen lachte...

 

Auf Wiedersehen Irene - du sitzt jetzt mit meiner Mama im Himmel und ich sehe euch beide liebenswerten Müettis zusammen lächeln. Und wieder ist dieses warme Gefühl in meinem Herzen...